Die mündliche Prüfung bestehen.
Mitten in Köln, am Neumarkt steht das Gesundheitsamt. Ein einschüchternder düsterer Bau. Für viele Heilpraktiker ist dieser Ort etwas angstbesetzt. Denn genau dort finden — zumindest für Köln — die Prüfungen zum Heilpraktiker Psychotherapie statt.
Anfang Januar hatte ich euch ja bereits ein wenig über die schriftliche Prüfung zum Heilpraktiker Psychotherapie erzählt. Falls das Thema relevant für euch ist und ihr die Folge verpaßt haben solltet: Hört sie euch vielleicht nochmal an. Es handelt sich um Folge 12 vom zweiten Januar.
Und wenn ihr euch dann noch weiter auf das Thema vorbereiten wollt, könnt ihr euch auch mein Video dazu anschauen.
Wie ihr vielleicht wißt, habe ich für all diejenigen, die sich auf die Prüfung zum Heilpraktiker Psychotherapie vor dem Gesundheitsamt vorbereiten, ein Video aufgezeichnet, in dem ich ein grundsätzliche Tipps zum Bestehen der schriftlichen Prüfung gebe. Und danach bespreche 8 Fragen aus der Herbst-Prüfung 2019 ganz konkret und sehr ausführlich.
Wenn ihr auf meine Website geht — www.pruefungsdoping.de — findet ihr oben rechts einen türkisfarbenen Button, der euch zum Video führt. Klickt auf den Button, meldet euch zu meinem Newsletter an und dann werdet ihr zu dem Video weitergeleitet. Und wenn ihr danach noch Lust habt mir zu sagen, wie euch das Video gefallen — das wär toll!
Die mündliche Prüfung
So, jetzt geht es aber los mit dem eigentlichen Thema der heutigen Episode: mit der mündlichen Prüfung. Die mündliche Prüfung schließt sich an die schriftliche Prüfung an. Konkret bedeutet das, dass ihr nur eine Einladung zur mündlichen Prüfung bekommt, wenn ihr die schriftliche Prüfung ausreichend bestanden habt.
Ausreichend bedeutete in der Vergangenheit ganz konkret, dass ihr 21 von 28 Fragen richtig beantwortet bzw. angekreuzt haben müßt. Ihr könnt euch also 7 Fehler in der Prüfung leisten. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass diese Fakten für die Prüfungen in der Vergangenheit gelten. Den Gesundheitsämtern steht es frei die Rahmenbedingungen zu ändern. Allerdings wird eine solche Änderung vorher bekannt gegeben. Informiert euch am besten vor eurer Prüfung immer noch einmal bei eurem zuständigen Gesundheitsamt.
Auf Lücke lernen bedeutet Stress
Immerhin — 7 mögliche Fehler in der schriftlichen Prüfung klingt zunächst großzügig. Doch ich rate euch trotzdem dringend davon ab, auf Lücke zu lernen. Versucht den Stoff insgesamt zu erfassen und zu vernetzen, so dass ihr gut vorbereitet seid, jede Frage zu beantworten. Auf Lücke zu lernen ist ein zusätzlicher Stressor und Stressoren sollte man in einer ohnehin angespannten Prüfungssituation immer vermeiden.
Nachdem ihr die schriftliche Prüfung bestanden habt, werdet ihr über kurz oder lang zu einer mündlichen Prüfung eingeladen werden. Zwischen der schriftlichen Prüfung und der mündlichen Prüfung können mehrere Wochen liegen. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint, ist die mündliche Prüfung — zumindest meines Erachtens nach — die wichtigere Prüfung: Jeder Student und jede Studentin weiß, dass man eine Multiple-Choice-Prüfung auch mit dem berühmten Halbwissen bestehen kann. Unser Gehirn ist so flexibel, dass es einmal Gelesenes irgendwo abspeichert und unter Stress eventuell aus dem Zylinder zaubern kann. Ich würde euch zwar dringend abraten so an eine Prüfung heranzugehen, aber manche tun es eben doch. Die äußerst hohe Durchfallquote in der Heilpraktikerprüfung kommt allerdings tatsächlich weniger durch nicht bestandene schriftliche Prüfungen zustande, sondern durch die mündlichen Prüfungen. Denn in der mündlichen Prüfung präsentiert ihr euch als Person und zukünftige Therapeutin oder als zukünftiger Therapeut. Hierzu gehört nicht nur ein sicheres Auftreten, sondern auch ein sicheres Wissen.
Tipps um zu bestehen
Wie könnt ihr diese wichtige Prüfung also am besten angehen? Gehen wir die einzelnen Punkte mal der Reihe nach durch: Am Tag der mündlichen Prüfung findet ihr euch mindestens 1/4 Stunde vor dem angesetzten Beginn ein. Geht noch einmal auf die Toilette und fokussiert euch auf die Situation. Legt euch eventuell einen ersten Satz zurecht, mit dem ihr eure Vorstellung beginnen werdet. Irgendwann werdet ihr hereingerufen und es geht los. Im Raum wartet auf euch die Prüfungskommission. Diese besteht bei den meisten Gesundheitsämtern aus einem Amtsarzt bzw. einer Amtsärztin und mindestens einem Beisitzer, bei dem oder der es sich zumeist um einen Heilpraktiker oder einen Heilpraktiker Psychotherapie handelt. Unter Umständen können jedoch auch zwei Beisitzer im Raum sein, also nicht erschrecken.
Ihr werdet zunächst gebeten euch auszuweisen und euch vorzustellen. Die Kommission möchte wissen, mit wem sie es zu tun hat. Verplempert keine Zeit, sondern kommt rasch zum Punkt, nennt die wichtigsten Aspekte eurer beruflichen Biographie und versucht hier schon einmal zu begründen, warum ihr euch entschieden habt die Heilpraktikerprüfung abzulegen.
Die erste Frage ist zumeist die nach dem Therapieverfahren, das ihr anbieten wollt. Hier ist es wichtig, dass es sich um ein wissenschaftlich anerkanntes Verfahren handelt. Das heißt eine Therapieform aus dem Bereich der Verhaltenstherapie, der Psychodynamik, der Systemischen Psychologie oder der humanistischen Gesprächstherapie. Im Gegensatz zu Früher erwarten die Prüfungskommissionen heute fundierte Kenntnisse oder sogar eine bereits absolvierte oder begonnene Ausbildung. Sollte man noch keine Ausbildung durchlaufen haben, sollte man sehr klare Vorstellungen haben, wann, wie und wo man eine solche beginnen wird.
Die Sorge der Gesundheitsämter ist nämlich, dass zu viele Heilpraktiker Psychotherapie glauben ihren Patienten aus dem Bauch heraus helfen zu können. Und irgendwann hat man beschlossen diesen Missstand zu ändern. Je nachdem werden euch zu eurem Therapieverfahren einige Fragen gestellt, doch meist beginnt nun das eigentliche Prüfungsgespräch, das etwa eine halbe Stunde dauert. Der genaue Verlauf eurer Prüfung hängt natürlich von der einzelnen Kommission ab, doch im wesentlichen werden immer zwei große Bereiche erfragt:
Einerseits müsst ihr zeigen, dass ihr die Grenzen eures Könnens und Dürfens kennen.
Der Heilpraktiker darf keine Gefahr für seine Patienten oder die so genannte Volksgesundheit werden. Hierzu gehören vor allem die so genannten psychiatrischen Notfälle und die genaue Kenntnis von Volkskrankheiten.
Ebenfalls zu diesem Bereich gehört die Kenntnis der gesetzlichen Grundlagen für den Heilpraktiker: Ihr müßt also über die Ausbildungs- und Berufsordnung bescheid wissen und über das Heilpraktiker Gesetz selbst. Es können aber auch Fragen zum Betreuungsrecht- oder Unterbringungsrecht gestellt werden.
Diagnostik
Der zweite große Bereich, der die Kommission interessiert, sind eure Fähigkeiten in der Diagnostik — vor allem in der Differenzialdiagnostik. Ihr müsst zeigen, dass ihr sichere Diagnosen in eurem zukünftigen Praxisalltag stellen könnt. Hierzu gehören theoretisch alle Krankheitsbilder, die in der ICD-10 aufgeführt sind — vor allem aber die depressiven Erkrankung (F3), der Alkoholismus (F1) und die Persönlichkeitsstörungen. Die Leitsymptome der Krankheiten müßt ihr also gut drauf haben.
Bevor wir bei diesem zweiten Bereich ins Detail gehen, schauen wir uns den ersten Bereich etwas genauer an: Die größten psychiatrischen Gefahren für den Einzelnen und die Allgemeinheit gehen in Deutschland vor allem von drei Dingen aus. Ich nenne sie einmal die tragische Trias:
- erstens die Suizidalität,
- zweitens die Depression und
- drittens Suchterkrankungen.
In Deutschland suizidieren sich jährlich etwa 10.000 Menschen, viele im Zusammenhang mit Substanzmissbrauch, vor allem Alkohol und Benzodiazepine. Abgesehen von den Symptomen des Substanzmissbrauches solltet ihr die beiden Modelle und die jeweiligen Phasen des Präsuizidalen Syndroms kennen. Denn ihr könnt als Heilpraktiker hiervon unmittelbar betroffen sein.
Natürlich sind auch depressionskranke Patienten suizidgefährdet. Ihr solltet also auch hier genaue Kenntnisse der Stufen und Formen der Depression haben.
Zusätzlich muss der Heilpraktiker in der Lage sein, nicht nur psychiatrische Notfälle, sondern auch die wichtigsten medizinische Notfälle zu erkennen. Und ihr müsst natürlich wissen, wie ihr in einzelnen Fällen wirksame Erste-Hilfe-Maßnahmen leisten könnt.
Die meisten Prüflinge fürchten sich in diesem Bereich am meisten vor der Gesetzeskunde. Tatsächlich ist vor allem das Unterbringungs- und Betreuungsrecht recht kompliziert. Wenn möglich, sucht euch hierfür fachkundige Hilfe. Falls ihr Freunde oder Bekannte habt, die sich damit auskennen — umso besser. Mindestens solltet ihr aber die Gesetzestexte in euren Lehrbüchern sehr genau lesen. Und falls ihr zu dem Thema noch mehr Input haben möchtet, haltet eure Augen und Ohren offen. Ich möchte noch nicht zu viel verraten — nur so viel: ich bereite gerade etwas zu dem Thema für euch vor.
Fallbeispiel
Kommen wir nun zum zweiten Bereich der mündlichen Prüfung:
Der zweite Bereich indem ihr eurer differenzialdiagnostisches Wissen vorführen sollt, findet meist anhand eines Fallbeispiels statt. Die Kommission wird euch einen Fall vorstellen und ihr sollt anhand der geschilderten Symptome eine Diagnose stellen. Hierbei ist es wichtig schrittweise vorzugehen. Fasst den Fall am besten noch einmal laut in eigenen Worten zusammen, um sicher zu sein, dass ihr nichts überhört habt.
Beginnt stets mit den Störungen in den Elementarfunktionen und achtet besonders auf die Zeitangaben, die genannt werden. Geht die Elementarfunktionen der Reihe nach laut durch und beteiligt die Kommission an euren Überlegungen. Stellt keine raschen Diagnosen, sondern arbeitet mit begründeten Hypothesen. Für die Kommission ist der Weg zu einer Diagnose viel interessanter als die Diagnose selbst.
Denkt immer auch an die Notfalldiagnose: Handelt es sich bei diesem Beispiel um einen psychiatrischen Notfall und welche Maßnahmen müssen sofort ergriffen werden? In euren Überlegungen solltet ihr stets differenzialdiagnostisch vorgehen — auf welche andere Erkrankung könnten die Symptome noch hinweisen?
Wie gesagt, der Weg zu einer Diagnose ist für die Prüfungskommission interessanter als die Diagnose selbst.
Drei allgemeine Tips
Da der Prüfungsverlauf nicht immer absehbar ist, möchte ich euch drei allgemeine Tips für die mündliche Prüfung geben:
Erstens: Habt keine Angst vor einem Blackout. Falls es dazu kommen sollte, sprecht es einfach offen aus. Die Prüfer sind keine Unmenschen, sie werden euch in den meisten Fällen einen Moment der Sammlung zugestehen.
Zweitens: Wenn das Prüfungsgespräch anstelle eines Fallbeispiels eher zu einer reinen Wissensüberprüfung wird, so heißt die Regel: Reden, reden, reden.
Präsentiert euer Wissen möglichst breit und farbig, bleibt aber bei der Sache und langweilt die Prüfer nicht. Eine Wissensüberprüfung bietet euch nicht nur die Gelegenheit Wissen zu präsentieren, sondern auch den Verlauf der Prüfung in die eigenen Hände zu nehmen.
Drittens: Versucht zu erahnen, was die Prüfer hören wollen, woran sie denken und kommt ihnen zuvor. Wenn ihr beispielsweise aufgefordert werdet über depressive Erkrankungen zu sprechen, sprecht von euch aus auch die Suizidalität und weitere psychiatrische Notfälle — wie z.B. das Delir — an. Kommt vom Delir auch auf Entzugserscheinungen zu sprechen. Wenn ihr über Rechte und Pflichten des Heilpraktikers zu sprechen kommt, erwähnt auch die Berufsordnungen und geht die Punkte im Einzelnen durch. Denkt daran, dass die Überprüfung dazu dient festzustellen, ob ihr euren Patienten gefährlich werden könntet. Führt diesen Gedanken selbständig vor und nennt Beispiele, wo von euch Gefährdungen ausgehen könnten und was ihr dagegen unternehmen könnt.
Ganz egal, wie der Prüfungsverlauf genau aussehen wird, versucht in der Prüfung kein Quiz zu sehen, sondern eher so etwas wie ein Prüfungsgespräch mit seiner eigenen Dynamik. Versucht euch authentisch zu verhalten und ehrlich und aufgeschlossen zu reagieren. Sollte euch ein Fehler, den ihr gemacht habt, selbst auffallen oder man euch darauf hinweisen, reagiert mit Humor und Selbstkritik darauf. Und, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, verhaltet euch höflich, respektvoll und zugewandt.
Nach einer knappen halben Stunde ist die Prüfung vorbei und man wird euch bitten den Raum zu verlassen. Ob ihr bestanden habt oder nicht — das Ergebnis der mündlichen Prüfung wird euch nach einer kurzen Beratung durch die Kommission sofort mitgeteilt.
Das Zeugnis wird euch nach ein paar Tagen zusammen mit der Kostenrechnung für die Prüfung zugeschickt. Wenn ihr eine eigene Praxis eröffnen wollt, müsst ihr hierfür noch einen weiteren Antrag an das Gesundheitsamt stellen, dem meist problemlos statt gegeben wird. Und das wars. Herzlichen Glückwunsch.
Ihr habt es geschafft.
Solltet ihr wider Erwarten die Überprüfung nicht bestehen, könnt ihr innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen. Nach frühestens einem halben Jahr könnt ihr die Prüfung wiederholen. Die Zahl der möglichen Wiederholungen ist nicht beschränkt. Bei jeder Wiederholung müsst ihr allerdings auch den schriftlichen Teil wiederholen, selbst wenn ihr diesen bestanden habt und ihr nur an der mündlichen Überprüfung gescheitert seid.
Wie bereits erwähnt, gelten alle hier genannten Einzelheiten für die vergangenen Prüfungen. Bedenkt immer, dass die Gesundheitsämter in der Durchführung der Prüfungen relativ frei sind. Solltet ihr vor kurzer Zeit andere Erfahrungen gemacht haben, schreibt mir gerne ein E-Mail dazu.
Ich hoffe ich konnte euch einige neue Informationen und Ideen zu unserem Thema vermitteln. Tut ihr mir einen Gefallen? Abonniert meinen Podcast, vielen Dank. Und wenn ihr jemanden kennt, den dieser Podcast interessieren könnte — empfehlt mich gerne weiter. Ich würde mich freuen.
In diesem Sinne komme ich zum Ende. Wenn ihr wollt, hören wir uns nächsten Woche wieder, dann mit einer Sendung zum Thema Harvey Weinstein.